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MUSIKTHEATER NEU
Wie schon bei Monteverdi, Gluck, Haydn,
Offenbach: die Auseinandersetzung mit dem Orpheus-Mythos ist nicht nur
eine Frage der inhaltlichen Akzente, er ist eine Herausforderung f�r zeitgem��e
Formen des Musiktheaters. Das Theater Bielefeld forderte drei Komponisten
heraus - und zu besichtigen sind drei sensationelle Entw�rfe modernen
Musiktheaters: aktuell akzentuierend, musikalisch, szenisch; "Musik" wird
sinnlich erfahrbar.
Iris ter Schiphorst ("Eurydike - Szenen aus der Unterwelt") pr�sentiert
die weibliche Perspektive und Orpheus wird vom mythischen Helden zum schlappen
Egoisten, Eurydike im Unort Hades verlassend. Sinnliche Instrumentenkl�nge,
virtuose Vokalismen formen den musikalischen background - eine kommunikativ-inspirierende
B�hne (Sandra Meurer) geben Michael Hirsch Gelegenheit zu intensiver Regie
auf Spiel-, Tanz- und Gesangsebene. Es beeindrucken das oh-ton-Ensemble
und Anna Clementi als differenziert agierende und phrasierende Eurydike!
Manos Tsangaris setzt auf das Verlassen der B�hne, verlegt sein opus "Orpheus,
Zwischenspiele" in eine U-Bahn-Station. Nach faszinierenden optischen
und musikalischen Installationen sowie einer 2-Stationen-Fahrt im schummerigen
U-Bahn-Zug wird das "Unterwelt-Gef�hl" f�r die Zuschauer nachvollziehbar
- erst dann kann Carolin Nordmeyer mit dem Philharmonischen Orchester
Bielefeld mit den wunderbaren Orpheus-Countertenor Charles Maxwell und
einer zauberhaften Eurydike Victoria Granlunds auf den Rolltreppen musikalische
Opulenz entfalten.
Das Publikum bewegt sich durch die halbe Stadt, trifft am erhaltenen Hochbunker
ein - und wird mit einer �berw�ltigend-vielf�ltigen F�lle von Installationen
von Georg Nussbaumers "orpheusarchipel" auf drei verwinkelten Ebenen konfrontiert:
rudiment�re Instrumente, eine Schotterlandschaft mit pulsierenden Schl�uchen
(an Beuys' Honigpumpe erinnernd), Nierenbecken mit plastifizierten Innereien,
ein leibhaftiger H�llenhund - dazu Kl�nge, Ger�usche, T�ne "Gesang". Virtuoser
Umgang mit den Instrumenten, exquisite Tonbildung der S�nger (Christina
Ascher!) vermitteln mit einer topographischen Grafik den Besuchern ein
nie erlebtes Gef�hl von "Unterwelt-Assoziationen". Schlie�lich werden
alle Beteiligten zu Troglodyten, gefangen im Dunkel und seiner bedr�ngenden
Faszination.
Die sechsst�ndige dreiteilige Orfeo-Animation f�hrt das Publikum in das
Kleine Haus, in die U-Bahn-Station, in den Bunker; das l�sst sich animieren,
geht auf die unerwarteten Angebote intensiv ein, erlebt bewusst eine nie
erlebte theatrale F�lle emotionaler Eindr�cke. Jubelnder Applaus ist nicht
m�glich, die Zustimmung zur radikalen Innovation spricht sich von Mund
zu Mund um. Bielefelds Theater feiert ein Fest, setzt Prozesse in Gang,
die das aktuelle Musiktheater nachhaltig ver�ndern werden! (frs)
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