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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
15. September 2001
(Premiere)

Theater Bielefeld

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SEELISCHER TOD

Wenn in Verdis Otello der Held und Desdemona nicht im blutr�nstigen show down enden - dann tobt der selbstgerechte Opern-Ignorant. Und so geschah es nach Barbara Beyers spektakul�rer Inszenierung im Bielefelder Haus: Otello, unbegriffener Aufsteiger in eine dekadente F�hrungsclique, �bergie�t sich in dramatischer Erkenntnis seiner Identit�tstrag�die mit einem Eimer schwarzen Schlamms: das Publikum gr�hlt vor Widerwillen - und verweigert jegliches Verst�ndnis f�r eine plausible Deutung eines sozial-individuellen Dramas.
Christoph Ernst baut eine B�hne auf der B�hne mit den handelnden "Honoratioren" und dem danebenstehenden Volk und dessen emotionalen Reaktionen, mit 50er Jahre Sitzgruppe und begrenzender Fototapete (Klippen mit tosendem Meer). Nachvollziehbar: eine verunsicherte Gesellschaft nach der gro�en Krise, eine alkoholisierte F�hrungsschicht mit intrigantem Verhalten; darin Otello als chancenloses Opfer einer machtbesessenen Desdemona: das l�sst sich historisch ableiten. Individuell erkl�rbar: Otello scheitert an den Verh�ltnissen, er kann Desdemona nicht einmal erw�rgen - er "versteinert" und Desdemona kehrt starr in die Szene zur�ck. Ob es jemals eine Liebe gegeben hat, bleibt offen - auf alle F�lle: zwei Lebensentw�rfe sind existentiell gescheitert.
Warum ein eigentlich an Experimente gew�hntes Publikum in Bielefeld sich die Lungen aus den H�lsen br�llt, mag auch an der "neuen Sicht" auf ein scheinbar bekanntes Sujet liegen; aber ein weiteres Motiv sind die zahlreichen plumpen slap-stick-Einlagen, provokative Einlagen, die den Blick auf die innere Dramatik verstellen.
Dabei geht im tosenden Jubel um Orchester, Chor und Solisten auch unter, dass Musik und Gesang total integriert sind in das offenbar verinnerlichte Regie-Konzept: Peter Kuhn ist mit dem Philharmonischen Orchester weit weg von allem platten Heroismus, interpretiert Verdis Sp�twerk mit viel individuellem Einf�hlungsverm�gen.
Da ist Joo Il Chois Jago mit intensivem Spiel und emotionalem Bariton ein sklavisch-kriechender Parven� und die phantastische Karine Babajanyan eine affektierte high-society-Dame (faszinierend wie sie beim Weidenbaum-Lied ihre N�gel lackiert!) auf der Suche nach maskuliner Begleitung zur Macht! Ein seidenweicher Sopran, in der Intonation absolut sicher und in der Phrasierung h�chst differenziert. Stefano Algieris Timbre entspricht genau dem gebrochenen Otello - ein Heldentenor mit bombensicheren H�hen und bezwingender Kraft. Den hohen Standard des Bielefelder Hauses best�tigt die hochkompetente Besetzung der kleineren Rolle, die mit Luca Martins Cassio und Hans Griepentrogs Lodovico internationales Niveau erreicht.
Die Wut von 750 Premiereng�sten in orkanartigen Ausma�en ist zweifellos ein Armutszeugnis f�r das Auditorium. (frs)