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BLOSS BEUNRUHIGEND
Am Abend des bestialischen Amoklaufs
in Erfurt kann St�blers "Pest"-Oper einen blo� artifiziellen Eindruck
hinterlassen: zu verschl�sselt ist die "Botschaft" des St�cks, zu wenig
bezogen auf aktuelle Realit�t. Der intellektualisierend-verr�tselte Text
von Matthias Kaiser nach Vorlage Bruno Jasenskis und unter Einbeziehung
von Poes "Usher"-Novelle gibt keine Antworten, vermag nicht einmal ansatzweise
gesellschaftlich-individuelle Bedrohungen von Relevanz zu artikulieren.
Die von der Dramaturgie beschworene Beziehung zum 11. September wirkt
absolut deplaciert! Was denn die "Pest" ist, bleibt unklar, dem Zuschauer
�berlassen. Das St�ck beginnt mit der Konfrontation von Gewaltregime und
individuellem Widerstand, fokussiert auf die Ballettfigur Madeline, die
als "Madame La Peste" Katalysator der "Pest" ist. Es folgt eine l�ngere
Szene aus Poes dekadent-inszestu�ser Usher-Familie und endet mit einem
eher larmoyanten Lamento.
Gerhard St�blers Komposition benutzt mit enormer Wucht die Mittel von
Percussion und elektro-akustisch eingespielten Ger�uschen, konfrontiert
aggressives Hundegebell und pfeifende Rattenschreie. Das wirkt beunruhigend,
geht aber nicht unter die Haut.
Die brutale B�hnenlandschaft mit Stahlkonstruktionen und schwarzen Folien
sowie versetzten Spielfl�chen (Florian Parbs) l�sst Bedrohliches assoziieren.
Vor allem die exaltiert K�rper betonte Regie Elmar Fuldas l�sst Bedrohungssituationen
hautnah nachvollziehbar werden, allerdings eher abstrakt - und damit weit
weg von pers�nlicher Bedr�ngung.
Die r�tselhafte Madame La Peste (Hannele J�rvinen) ist sprachlose Verf�hrerin,
doch bleibt ihre pantomimisch-stumme Rolle letztlich r�tselhaft. Christopher
Lincoln pr�gt den humanen Revolution�r P'an stimmlich virtuos, ebenso
wie Anke Krabbe die Rolle der Tschen als betroffenes Opfer mit dissonantem
Sprechgesang bewundernswert meistert. Der Chor agiert geradezu am Rande
pers�nlicher Selbstent�u�erung, intoniert atonale Kl�nge in Konkurrenz
zu eher melodischen Lautsprecherger�uschen mit hoher Musikalit�t. Das
Ensemble identifiziert sich r�ckhaltlos mit Solo-Interpretationen und
Tableaus: allein, der letztendliche "Kick" bleibt aus.
Eher intellektuell-analytisch sitzt das hochgespannte Publikum, vermag
au�er optisch-bezwingenden Effekten und musikalischer Radikalit�t keine
Faszination zu entdecken. Und in der Tat: Wenn St�bler/Kaisers "Pest"
auf die Rolle der Frau als Hure oder Heilige im Aufeinanderprallen von
statisch-autokratischer Gesellschaft und explodierendem revolution�rem
Individuum beschr�nkt, dann ist der Aufwand schm�hlich vertan. Vertan,
weil offenbar aus d�nkelhaftem Intellektualismus die Benennung der "Pest" verweigert wird. (frs)
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