Rezensionen     Kommentare     News     Backstage     Befragung     Links     Kontakt     Impressum    Wir über uns
     

Fakten zur Aufführung 

DIE LUSTIGE WITWE
(Franz Léhar)
6. Dezember 2003 (Premiere)

Aalto-Theater Essen

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Das hat Rrrrasss so....

In der bundesdeutschen Operettenlandschaft stellt diese "Lustige Witwe" etwas Besonderes dar. Um es gleich vorweg zu sagen: diese Witwe ist nicht lustig, sondern, sarkastisch, bissig und aggressiv. Dietrich Hilsdorf verlegt die Handlung in ein Pariser Luxushotel kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Daraus folgt, dass �ber der gesamten Auff�hrung Endzeitstimmung wie ein Damoklesschwert schwebt.

Die von Hilsdorf versammelte internationale Hochdiplomatie jener Tage ignoriert diese bedrohliche politische Situation vollst�ndig: Ihr einziges Interesse gilt der millionenschweren Witwe Hanna Glawari. Um sie zu gewinnen, ist jedes Mittel recht. Es wird intrigiert und kompromittiert ganz nach Lust und Laune. Einer sentimentalen Operettenidylle erteilt Hilsdorf eine klare Absage.

Selbst in Szenen, die diese suggerieren, wird die Idylle gebrochen: zum Beispiel in der Er�ffnungsszene des zweiten Aktes mit dem ber�hmten Viljalied. Vor diesem Lied erscheint, wie aus dem Nichts, eine verzweifelte Frau, deren Sohn einberufen wurde. Ihre sehr expressive und wortreiche Klage m�ndet in dem Einleitungschor des Liedes, in dessen Verlauf ein T�nzer in Uniform erscheint und mit blutverschmierten H�nden und expressiven Bewegungen das sentimentale Lied in einen Danse macabre verwandelt. Danach werden diese Figuren von Njegus kurzerhand als Grisetten f�r den 3. Akt engagiert. Klage der Frau verhallt im Nichts, die Realit�t wurde erfolgreich ausgesperrt. F�rwahr: diese Welt ist schlecht und jeder ist k�uflich.

Der Regie, die das Aggressionspotential des St�ckes akzentuiert, steht die auf Klangsch�nheit und Pr�zision bedachte musikalische Leitung von Stefan Soltesz am Pult der Essener Philharmoniker kongenial gegen�ber und unterstreicht die hitzige Attit�de der Inszenierung. Die kleinen und gro�en Grausamkeiten der Figuren werden in so fabelhaft sch�ne Musik geh�llt und erhalten auf diese Weise sch�rfere Konturen. In musikalischer Hinsicht bleiben keine W�nsche offen. Das engagierte, sublime und raffinierte Dirigat von Stefan Soltesz verleiht dieser Witwe eine ungeahnte Sch�nheit. Selten h�rt man dieses St�ck so plastisch, differenziert und raffiniert. Soltesz arbeitet die teilweise expressionistisch anmutenden Klangfarben dieser Operette detailverliebt heraus und zeigt, wie zentral die Rolle des Orchesters auch bei einer Operette sein kann, auch wenn es nicht so exponiert ist wie in den gro�en Musikdramen von Strauss und Wagner.

Auch die Solisten lassen keine W�nsche offen: Marcela de Loa gab eine Hanna Glawari von wirklich internationalem Format: vom zart gehauchten Pianissimo bis hin zum vollen Stimmklang reicht ihre musikalische Ausdruckspalette, die sie bei der musikalischen Gestaltung dieser doch nicht ganz anspruchslosen Partie auch sinnhaft einzusetzen wei�. Astrid Kropp l�uft in der Rolle der Valencienne geradezu zu Hochformen auf: Sie gestaltet diese Partie jenseits aller Operettenklischees und erweist sich (besonders im zweiten Finale) als ebenb�rtiger Widerpart zu Marcela de Loa. Auch Peter Bording �berzeugt als Danilo. Mit musikalischem Raffinement zeichnet er eine rebellische Figur, die zielstrebig ihre Ziele verfolgt. Auch der Rest des Ensembles ist musikalisch hervorragend und szenisch �u�erst pr�sent.

Ein besonderes Lob muss am Ende noch Bernd Schindowski f�r die Choreographie ausgesprochen werden. Hier werden keine gleichf�rmig agierenden Revuet�nzerinnen dargestellt, die am Begin des dritten Aktes zum allgemeinen Amusement Cancan tanzen. Stattdessen sind alle von Anfang an die Handlung integriert und entwickeln im Laufe der Zeit ein eigenes Profil.

Die Essener Auff�hrung pr�sentiert die "Lustige Witwe" jenseits aller Operettenklischees, auf sehr hohem musikalischem und szenischem Niveau. Sie ist ein sch�nes Beispiel, wie Operettenpflege heute aussehen k�nnte: Sie pr�sentiert eine individuelle Interpretation des St�cks, und wiederholt nicht tradierte Muster. Vielleicht ist es so m�glich, die Gattung neuer Publikumsschichten zu erschlie�en. (tk)