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FLOP
Wenn die Geschichte nicht gef�llt,
die Zeit nicht, in der sie spielt, die Personen nicht und deren Beziehungen
und schlie�lich die Inhalte nicht akzeptiert werden - dann, ja dann setzt
der Prozess des Dekonstruierens ein: Ein bedeutungsvolles Werk wird in
eine andere Bedeutung �berf�hrt, akribisch werden die Schichten des Werks
offengelegt, auf ihre Relevanzen und Widerspr�che �berpr�ft und schlussendlich
in "revidierter Fassung" realisiert. So sollte es sein. In Gelsenkirchen
verf�hrt Gabriele Rech (und ihr B�hnenbildner Hermann Feuchter) viel schlichter:
Da wird das "Werk" ignoriert, die S�ngerdarsteller werden in beliebige
Alltagsklamotten gesteckt, singen ihre Partien in einer Ikea-Kulisse und
�berlassen die ganze Profillosigkeit der Assoziationskraft des ratlosen
Publikums. Ergebnis: Das MiR kann zum Wallfahrtsort f�r Operntheoretiker
werden, denen die Differenz zwischen Destruktion und Dekonstruktion bislang
verborgen geblieben ist.
Die Neue Philharmonie Westfalen intoniert dagegen unter dem kundigen Samuel
B�chli einen exorbitanten Mussorgskij: intensiv in den kompositorischen
Br�chen, mit allen nicht-gegl�tteten H�rten, aber auch allen musikalischen
Konventionen - eben die Originalversion des "Boris" ohne die Polen-Akte,
ohne Rimski-Korsakows peinliche Eingriffe!
Nun leidet Nikolai Miassojedov zweifellos unter der verungl�ckten Regie,
doch scheint ihm die enorme psychische Kraft des Boris abzugehen; keine
tragische �berh�hung, wenig stimmliche Bezwingung. Und so geht es den
hilflos alleingelassenen �brigen Ensemblemitgliedern: Burkhard Fritz als
Grigorij, Eva Tamulenas als Amme und Wirtin (?), Fabrice Dalis als Schuiskij
und Nicolai Karnolsky als Waarlam. Allein der nach langer Krankheit zur�ckgekehrte
Mario Brell vermag dem "Gottesnarren" profilierten Charakter zu verleihen.
Der Chor und der Kinderchor des Musiktheaters im Revier (!) machen deutlich:
der "Boris" ist eine Choroper mit faszinierenden Kollektiven.
Das Gelsenkirchener Premierenpublikum harrt aus (nur ca. 30 verlassen
das Haus zur Pause), beschr�nkt sich auf wenige h�fliche Buhs f�r das
Regieteam, agiert aber wie eine Solidarit�tsversammlung zur Wiederherstellung
ihres eigenst�ndigen Hauses. Nach den unbefriedigenden Premieren von "Nabucco"
und "Freisch�tz" gilt wohl das Prinzip "Die Hoffnung stirbt zuletzt!" (frs)
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