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Der Film im Kopf
Gerhart Hauptmanns bittere Novelle �ber den sexuell h�rigen Thiel zwischen
seinen liebenden Erinnerungen an seine verstorbene Frau, seiner F�rsorge
f�r den Sohn Tobias und seiner Abh�ngigkeit von der fordernden Lene mit
katastrophalem Finale ist von Enjott Schneider in eine Musik umgesetzt
worden, die existenzielle Emotionen wie einen "Film im Kopf" entstehen
und explodieren lassen.
Diese gef�hlsbetonte Musik mit volumin�sen Streicherkl�ngen, effektiver
Schlagzeugverst�rkung und kalkuliertem Bl�sereinsatz wird von der Neuen
Lausitzer Philharmonie unter dem agilen Eckehard Stier �u�erst sensibel
und in allen Instrumentengruppen pr�zis umgesetzt.
Der kommentierend-anklagend agierende Chor (Leitung Myron Michailidis)
vollbringt eine exzeptionelle Leistung, Hans-Peter Struppe verk�rpert
einen von sich selbst verunsicherten Thiel - etwas steif, ohne letzte
Nutzung der Phrasierungschancen, Yvonne Resch - ein Tippie Hedren-Typ,
dieses Hitchcock-Ideals des unschuldig verf�hrenden Frauen-Mythos - interpretiert
ihre Rolle als Sexualsubjekt Lene mit hoher Intensit�t, mit erotisch stimulierender
Attit�de, Anja Meyers Stimme als "himmlische" Minna verbreitet auratische
Sph�renkl�nge. Das G�rlitzer Ensemble - der kleine Johannes Klepatzki
als Tobias ist ein professioneller Kinderdarsteller - vermittelt moralische
Aggressivit�t par excellence.
Aron Stiehl gelingt es mit hochintensiver Personenf�hrung, den inneren
Kampf des tumben Thiel zwischen den M�chten des irrationalen und seiner
unbegriffenen Existenz szenisch zu vermitteln - H�rigkeit, Verletzlichkeit,
Scham, Visionen Wahnsinn eines Wozzek-Vorg�ngers werden in ihren Extremen
hautnah nachvollziehbar.
Die permanent pr�senten Gleise auf der Drehb�hne sind die Metapher f�r
Thiels Weg in den Wahnsinn. Karen Hilde Fries konfrontiert die enge Welt
Thiels mit seinen irrationalen Visionen, nutzt die M�glichkeiten der B�hnentechnik
und imaginiert mit fulminanten Lichteffekten eine ungemein dichte Atmosph�re
irrationaler Kr�fte. Integriert sind konkret-abstrakte Videoprojektionen
von Kirsten Winter, die einen wesentlichen Beitrag zum "Gesamtkunstwerk"
von Spiel, Gesang, Musik, Raum, Gegenst�nden und fl�chtigen Bildern darstellen.
F�r das mutige Theater G�rlitz ist die Urauff�hrung eine gewaltige - gelungene
- Kraftaustragung. Zur Premiere sind viele Neugierige und Experten von
weither angereist (vom Ruhrgebiet z.B. sind es ca. 700 km bis in die �stlichste
Stadt der Republik), die Wertsch�tzung des Gebotenen liegt sehr hoch,
der viertelst�ndige Schlussbeifall ist enthusiastisch, bedenkt Solisten,
Chor, Orchester, Komponist und das junge Regieteam mit Ovationen. (frs)
P.S. �bertitelt ist in Polnisch - eine Dokumentation der engen Verbindung
von G�rlitz und dem benachbarten polnischen Zgorzelec; aber auch deutsche
�bertitel w�ren w�nschenswert.
Karten unter (03581) 47 47 0 |
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