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Titania in Hippolyta versteckt.
Wenn eine nicht unkomplizierte, zumal ausgesprochen personenaufwendige Oper von Studierenden einstudiert und aufgeführt wird, zumal auf einer technisch nicht sehr gut ausgestatteten Bühne und mit (vermutlicherweise) engem Etat, dann bedarf, die Darsteller zusammenzuhalten, sowohl einer betonten Form von Liebe, die man gemeinhin Leidenschaft nennt; Kosten-Nutzen-Überlegungen haben da gänzlich fernzubleiben.
Als auch einer Reihe regietechnischer und interpretatorischer Einfälle, die darüber hinweghelfen, dass der (in technischer Hinsicht) sprühende Opernzauber sich schon der Bühnengegebenheiten wegen nicht einstellen kann. Große Stücke wie dieses werden dann automatisch zum Kammerspiel, auch wenn es elf Hauptdarsteller gibt. Im Grunde hilft nur ein Rückzug in ein Einfaches, das durch Spiel- und Gesangslust überhöht werden muss. Es hilft nichts, wie es die Erklärungen in der Pressemappe wollen, sich auf die Konzeption der Uraufführung zu berufen, die in sehr begrenztem Rahmen stattfand, und zwar hilft es deshalb nichts, weil sich unsere Seh- und Hörgewohnheiten seit 1960 nicht nur durch die inszenatorische Operngeschichte, sondern vor allem durch die neuen Medien, die technologisch-imaginäre Entwicklung sowieso und darin vor allem durch den Spielfilm grundsätzlich verändert haben.
Aber dieses Einfache und seine Überhöhung gelingt Dominik Neuner und seinen Darstellern auch. Er hat, auch für die Bühne verantwortlich zeichnend, drei Buchstaben übergroß ausstanzen lassen, die, je nachdem, ob sie aufrecht stehen oder liegen, für die Bäume des Waldes herhalten oder Sitz- und Schlafgelegenheit sind: L –V – E. Anfangs errichten sie sich in verkehrter Reihenfolge. Es können auch alle vier Buchstaben des Liebeswortes gewesen sein, doch meine Erinnerung gestaltet das ‚fehlende’ O mit dem ständig scheinenden Mond, durch welchen einmal Titania davonschreitet und zum anderen, am Schluss des Spiels, die Geister ins Fürstenhaus strömen. Das ist in seiner einfachen Symbolik, da sie sich immer konkret auf den Spielraum zurückbindet (selbst die spätere Bühne-auf-der-Bühne wird in Form von Latten schon von Anfang an von den Handwerkern mit herumgetragen), sehr schön, zumal die Dinger von Puck durchaus besprungen werden, oder er hockt darauf, um den Liebesstreit zu belauschen oder, fast am Ende, sich die Koboldsschuld von einem Bein zu fegen; kurz: Es hat einen ganz ebensolchen Witz wie der sich vordrängelnde Zettel, dem das Eselserlebnis recht eigentlich keinen Dämpfer erteilt. Denn er genießt ja.
Eine ähnliche, wenn auch verstecktere, Komik formt sich aus dem Dritten Akt, in dem die „edlen” Liebesleute und das Fürstenpaar, welches aus einem Elvis-Presley-haften Fürsten und einer domina-artigen, auf rigorose Weise gelangweilten Fürstin besteht, die sich in der Hochzeitsnacht in Titanias Rotschwarz „outet”, sich über die zwar ungeschickte, aber doch nicht ungenaue In-Szene-Setzung der Absurditäten emotionaler Obsessionen lustig machen – fast solcher nämlich wie die, in die zumindest zwei der hohen Paare selbst die vergangene Nacht hindurch getrieben, genasweist und verloren waren. Was sie nicht merken, wohl aber merkt es ein aufmerksames Publikum, soweit es bereit ist, gelegentlich das eigene Leben an einem Schauspiel und den großen Gefühlen messen zu lassen, deren einen Höhepunkt Britten herzrührenderweise ins Ende der Bühne-auf-der-Bühne-Groteske hineinkomponiert hat. Leider machte Tisbe da noch weiterhin Faxen; hier wäre ein momentaner Einhalt wichtig gewesen, zumal die Stelle gleichsam den Moment kennzeichnet, der abermals die Elfen ruft.
Die dann ins rockende „Abtanzen” der Hochzeitspaare einfallen – die mir momentan einzige schlüssige Idee, vermittels derer sich der Fürst-als-Elvis-Presley begründet. Doch ist diese Kritik ebenso wohlfeil wie die hörende Beobachtung des kleinen Bruches, der sich zwischen Orchester und Sängern auftut und nie ganz schließt, oder diejenige gelegentlicher sängerischer Grobgriffe. Eine kommende Erfahrung wird sie ganz sicher bald auffangen. Dass besonders die Stimmen Helenas und Hermias nicht ohne Schärfen sind, wo doch Sehnsucht gemeint ist – und Liebesverzweiflung –, mag außerdem der für eine Oper nicht sehr entgegenkommenden Akustik des Musikhochschul-Saales zuzuschlagen sein; auch die Harfe klang bisweilen etwas spitz.Kurz: Die Mischung der Klänge gelang nicht immer, die sich in einem ‚richtigen’ Opernhaus meist schon aufgrund anderer Größenverhältnisse einstellt, also aufgrund anderer akustischer Bedingungen. Dies alles glich die Spiellust rundweg aus, aber auch, zum Beispiel, der samtige Ton Lysanders.
Werner Hagen dirigierte liebevoll die Hamburger Symphoniker, und bisweilen hellte sich sein Gesicht sehr auf. Dann war eine der vielen Zaubereien dieser Partitur gelungen.
Langer langer Applaus des zu einem auffällig hohen Anteil älteren Publikums. (anh)
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