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Ariadne im Belaria-Kino
Es gibt Opern, deren inhaltliche - nicht musikalische - Gegenwart einer
�berpr�fung zwar nicht bedarf, sie aber doch herausfordert: Sie l�cken
wider den Stachel der Normen oder allgemeiner Befindlichkeiten, verlangen
Interpretation, bisweilen auch Umdeutung - oft sind es mythische Stoffe
- ... und solche, die sich derartiges zwar gefallen lassen, aber auch
ganz gut ohne das Regietheater auskommen k�nnen; selbst als Kost�mfest
sind sie nie zopfig. Straussens Ariadne geh�rt dazu. Insofern spielt es
eigentlich gar keine Rolle, ob eine Auff�hrung, die sich dieses St�ckes
annimmt, in modernem Gewand daherkommt oder nicht - der Kern wird ja vom
Interpretator eh nicht ber�hrt.
So mag man sich zwar �ber die Auff�hrungs�sthetik mokieren, die die seit
1993 am M�nchener Staatstheater am G�rtnerplatz laufende Inszenierung
durchaus wohlig perpetuiert, die Auff�hrung selbst l�sst sich rundweg
genie�en. Ja ich m�chte sagen, wenn man sie, wie ich letzten Dienstag,
in Begleitung eines Opernneulings besucht, kann einem fast nichts Besseres
geschehen: Hier wirkte die Inszenierung geradezu als "Einstiegsdroge".
Was kann jemandem, dem leidenschaftlich am Erhalt dieser Kunstform auch
in nachwachsenden Generationen gelegen ist, Besseres widerfahren?
Selbstverst�ndlich bedarf gerade eine ungebrochen auf den Sinn des Librettos
und der Geschichte, die es erz�hlt, konzentrierte Auff�hrung ganz besonders
des Engagements und K�nnens der Musiker. Beidem lie�en die Mitwirkenden
dieser 50. Auff�hrung rundweg lustvollen Lauf. Da nimmt es auch nichts,
wenn das bisweilen etwas pappig nach Harmonium (das freilich auch eingesetzt
ist) klingende Orchester in mir die Erinnerung an Historische Aufnahmen
auf Vinyl wachrief; das d�rfte zu einem nicht unerheblichen Teil in der
Akustik dieses sehr gem�tlichen Theaters begr�ndet sein. Die kammermusikalische
Struktur tut ein �briges hinzu. Doch wurde unter der Stabf�hrung Ekkehard
Klemms zwar vielleicht ein wenig zu moderat im Tempo, dennoch �beraus
sauber gespielt. Vielleicht hielt sich das Blech etwas sehr zur�ck.
Elisabett Urbanics B�hne geht von allem Anfang an auf den Rosenkavalier,
die Inszenierung hat in jeder Minute etwas von Ausstattungsoper, ein sogenannter
kritischer Impuls fehlt v�llig und w�re wahrscheinlich auch fehl am Platz;
verglichen mit Reinhild Hoffmanns derzeit in Berlin gespielter Ariadne
ist Hellmuth Matiaseks M�nchener Inszenierung ganz geborgen in der Alten
Zeit; interessanterweise sind die Konflikte es nicht; hie wie da bleiben
sie - ganz unabh�ngig vom Regiestil - virulent: Es scheint gerade Hoffmansthal/Straussens
Ariadne nicht zu veralten.
Ber�hrend, wenn nicht begeisternd, Ann-Katrin Naidus Komponist, wenn auch
ein wenig zu sch�n f�r eine Hosenrolle, so dass der kurz-innige Flirt
mit Zerbinetta (Simone Schneider) etwas intensiv Homoerotisches verstr�mt,
wie man ja ohnehin st�ndig an Octavian erinnert ist, nur dass ihm als
"Liebesspielerin" nicht ein gesch�tztes, pubertierendes B�rgerm�del, sondern
eine kokette Erotomanin entgegentritt, die das nicht g�nzlich ohne finanzielle
Hinterabsichten ist. Simone Schneider l�sst das in ihrer gro�en Partie
"Als ein Gott kam jeder gegangen" auf die witzigste Weise mehr als klarwerden.
�berhaupt liefen sowohl sie als auch Nathalie Boissys Ariadne erst im
zweiten Teil des St�cks zu gro�er Form auf, ohne dass sie dabei die �brigen
S�nger an die Wand gedr�ckt h�tten. Richard Salter gibt einen recht verb�rgerten
Komponisten, gut in seine Stimme eingepolstert, doch Michael Gannz' Tanzmeister
schw�chelt wie die M�nnlichkeit dieser gezierten Person, das stimmt dann
schon. Schade nur, dass die drei Nymphen als mythische Opern-Karikaturen
inszeniert sind. Dessen h�tte es aufgrund der gespielten Differenz zur
Buffo-Operette wirklich nicht bedurft.
Und das Publilkum? Seltsam, ich kam mir ein wenig vor wie im Wiener Belario-Kino,
"wo's die uralten Film sp��'n" (Heller): Wie sich dort die nostalgischen,
greisen Frauen treffen, so stand hier in der Pause ein mittelst�ndiges
Geldb�rgertum herum, das eine Tradition pflegt, die es nicht hat. Immerhin
hatten sich f�r den Anschluss an die Moderne hie und da paar Musikstudentinnen
hintupfen lassen, so dass ich sp�rte, es gehe schon irgendwie weiter.
(anh) |
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