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Pastellfarbene K�lte
Er ist eine Kaspar-Hauser-Figur dieser Werther, in einer verklemmten Gesellschaft,
die ihre eigenen Emotionen kaum kennt, geschweige denn an ihre Grenzen
zu gehen gewagt hat. Charlotte wagt die Grenz�berschreitung, ob sie allerdings
gewinnt oder verliert, das l�sst auch Julia Riegels M�nchner Neuinszenierung
von Massenets Meisterwerk offen.
Die B�hne wird durch eine (vermutlich von Werther) gezeichnete Dorfidylle
in eine Innen- und Au�enwelt geteilt. Pastellfarben bestimmen die Kost�me
der Goethezeit und die Strandszenerie der ersten beiden Akte (Ausstattung:
Caroline Neven Du Mont). Bis zum letzten Akt verwandeln sie sich ins dunkle
Blau einer technisch beeindruckend durchst�rmten Winternacht. Am Ende
wird Werther von einem kleinen gleichgewandeten Jungen an der Hand genommen
und fortgef�hrt. Charlotte bleibt einsam im Schnee zur�ck, doch mit ihr
zu empfinden f�llt schwer.
Riegels Inszenierung �berrascht selbst mit steigender Abstraktion im Laufe
der Oper nie mit Ungewohntem, Unkonventionellem und erreicht kaum emotionalen
Tiefgang. Sophie, Albert und Charlotte bleiben k�hl und emotional glatt,
sind Produkte ihrer oberfl�chlich am Kommerz interessierten sch�nen Scheinwelt.
Der durchgeknallte Tr�umer Werther bleibt als Fantast ebenso schwer greifbar.
Das Ergebnis ist sch�n anzusehen, kann jedoch, im herben Gegensatz zur
leuchtenden Musik, nicht ergriffen machen.
Dieser Musik versteht Dirigent Constantinos Carydis mit viel Gesp�r kleinste
solistische Feinheiten zu entlocken. Er sucht das differenzierte "piano"
und "mezzoforte" schillernd zu beleben und vermeidet zumeist ein grobes
Aufdonnern. Eine Interpretation, die sich an Riegels eindimmensionaler
Personenregie reiben musste.
Harrie van der Plas entsprach �u�erlich einem Werther. Sein metallischer
Tenor aber erreichte die stabil kraftvollen H�hen nur mittels enervierender
Operettenschluchzer. Seine Darstellung entbehrte einer lyrischen W�rme
und Leichtigkeit, der zugegebenerma�en gerade die Anstrengungen in den
letzten beiden Akten der Partitur entgegenstehen. Dass deutsch gesungen
wurde, schien besonders Ann-Katrin Naidu zu behindern. Ihr Legato wie
ihr Lyrizismus litten unter der deutlichen Aussprache und schufen eine
im Einzelton klangsch�ne, doch insgesamt k�hle Interpretation. Torsten
Frisch (Albert) und M�rta Kosztol�nyi (Sophie) anfangs noch etwas blass,
sangen sich sukzessive frei, ohne gesch�rftes Profil zu entwickeln.
Das volle Haus quittierte die optischen Streicheleinheiten, aber auch
die s�ngerischen Defizite mit begeisterten Bravos f�r Regie und Darsteller.
Keine h�rbar entt�uschten Schluchzer. (tv) |
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