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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang A. Mozart)
27. Januar 2007 (Premiere)

Städtische Bühnen Münster

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Grenzüberschreitungen - pathologisch

Peter Beat Wyrsch verabschiedet sich mit einem Furioso seiner leitenden Inszenierungs-Konzeption: Don Giovanni ist ein besessener Sexual-Pathologe, die übrigen sind bestimmt von sexuellen Kindheitstraumata und die Umwelt ist ein komplexes Sexual-Syndrom, von dem Freud nicht einmal zu spekulieren wagte - und dabei umgeben von aufblühendem Grün, das zeigt wo’s langgeht: zurück in die selige Natur. Entsprechend das permanent fummelnde Bühnenhandeln und die Erkenntnis, dass Giovanni wohl nächtens zu lange das prostituierende Programm des deutschen Privatfernsehens schaut – es hängt eben alles mit allem sexuell zusammen.

Martin Warth stellt einen sich drehenden Halbrund-Zylinder auf die Bühne; man glaubt sich an Münsters Albersloher Weg mit seinem Gasometer versetzt. Ute Frühlings Kostüme vermitteln den fatalen Eindruck der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.

Und Regie, Bühne und Kostüme reproduzieren John Waynes Lebensweisheit „Nun denkt mal darüber nach!“ Große Teile des Münsteraner Publikums lassen sich auf diese Retro-Attitüde ein und finden das „ganz toll“ – aber der differenzierte Mythos des Spiels um die Liebe bleibt auf der Strecke.

Zum Glück gelingt dem ebenfalls Münster verlassenden Rainer Mühlbach - der in seiner kurzen GMD-Zeit den Schatten des genialen Will Humburg nicht loswerden konnte - mit dem glänzend aufspielenden Sinfonieorchester Münster ein Mozart-musikalisches Highlight: voller sensibler tempi, transparent im Klang, voller Ekstase und verführerischen Abgründen!

Das hinreißende Solisten-Ensemble fasziniert darstellerisch und stimmlich: Jaroslaw Sielicki ist ein fies-aggressiver Giovanni mit außerordentlich beweglichem Bariton; Bart Driessen ist als digital-fotografierender geiler Komplize ein Sex-Faktotum übelster Art, stimmlich von geradzu beglückender Präsenz; Stefanie Smits und Judith Gennrich sind grundverschiedene Anna und Elvira - beide in Klischees gezwängt, die sie jedoch mit rollengerechten Stimmvarianten glanzvoll bewältigen; Uwe Stickerts individuell geprägter Tenor verleiht dem Ottavio ambivalenten Charakter; Julia Neumann und Rolf A. Schneider lassen als Zerlina und Masetto geradlinig-phrasierende „Naturmenschen“ hören; und Mark Coles gibt dem Komtur stimmliche power.

Ein Abend voller Irritationen - was Theater ausmacht - aber mit einer Bedeutungs-Anreicherung, die sich schon dem Zwanghaft-Missionarischen nähert - und das ist es nun gerade nicht, was Theater ausmacht. (frs)


Fotos: © Michael Hörnschemeyer