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Brutale Konflikte
Von Franz R. Stuke
Anton Tschechows Szenen "Auf der Gro�en Stra�e" werden in einer Kneipen-Kirchen-Szene
verortet: in der r�ckw�rtigen verfallenen Kirchenarchitektur sitzt das
Orchester (der Dirigent halblinks im "Off"), vor einem Gazevorhang die
Kneipe mit einer Ansammlung kaputter Typen.
Dietrich Hilsdorf inszeniert eine qu�lende Situation bedr�ngter Individuen,
im Mittelpunkt der alkoholisierte und nach Wodka verzweifelt bettelnde
Senja (er wird als emotionales Opfer seiner arroganten Frau Marja erkannt),
dabei einige verkommene Pilger, ein lebenslustiger Arbeiter Fedja und
ein gewaltt�tiges Faktotum Merik. Aus dieser Konstellation entwickelt
sich ein Szenario menschlicher Reaktionsweisen h�chster Intensit�t.
Will Humburg interpretiert mit dem pr�senten Symphonieorchester der Stadt
M�nster Corghis patchwork nicht nur technisch perfekt sondern vor allem
situationsgerecht in den verschiedenen Instrumentengruppen: lyrische Streichergruppen
mit Tschaikowski-Themen, vor allem die Bl�ser mit dissonanten Ausbr�chen
und das Schlagzeug mit gro�em Apbloms. Corghis Musik ist - wie schon bei
seiner Diware - von hoher artifizieller Qualit�t und von emotionaler Wucht;
Will Humburgs Anteil an diesem Erfolg modernen Musiktheaters ist nicht
hoch genug einzusch�tzen (und das M�keln der M�nsteraner Stadtpolitik
an diesem Theater ist das Armutszeugnis einer M�chtegern-Kulturstadt!).
Im qu�lenden Ambiente von Dieter Richter mit den milieustiftenden Kost�men
Renate Schmitzers agiert ein hochmotiviertes Ensemble: allen voran Radoslaw
Wielgus als qualvoll-leidender Senja; eine bezwingend nachvollziehbare
Charakterstudie mit Darstellung und Stimme. Mineo Nagata setzt seine Spielkunst
und seinen intensiven Tenor f�r einen pseudolustigen Fedja ein; Stefan
Adams Merik ist die au�ergew�hnliche Studie eines grobschl�chtigen Krawallos,
der auf seine Art Mitleid zeigt - indem er mit dem Beil agiert.
Das Premierenpublikum ist emotional �berw�ltigt; vor allem der jugendliche
Teil ist nicht nur betroffen, sondern feiert - nach Momenten des Nachdenkens
- das grandiose Theaterereignis mit seinem Pl�doyer f�r Menschlichkeit.
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