
Der Traum vom großen Theater
Crazy for you ist eine aus Gershwin-Melodien zusammengestellte Geschichte, in der es natürlich um Liebe, aber auch um den „American Way of Life“ geht. Billy Child, dieser bühnenverrückte Jung-Banker soll in Deadrock eine Theater-Immobilie vom verschuldeten Besitzer übernehmen - und stellt stattdessen eine Show auf die verlassenen Bretter, die die Welt bedeuten.
Iris Limbarth, Regisseurin und Choreographin in einem, inszeniert die Geschichte als Dreh zu einem Film, während im Hintergrund Sequenzen aus dem Streifen Girl Crazy mit Mickey Rooney und Judy Garland laufen – der Grundlage für Crazy for you. Das passt gut, denn so können die Umbauarbeiten als Szenenwechsel einbezogen werden. Reinhard Wusts Bühne zeigt die Fassaden einer Westernstadt, die ihre besten Zeiten während des längst erloschenen Goldrauschs gesehen hat und entsprechend heruntergekommen ist, sowie das Interieur eines Theaters mit Kostümständern und herumstehende Requisiten. Darauf agieren die Figuren in der Kleidung der Vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts – der Entstehungszeit von Gershwins wunderbarer Musik.
Dies der Rahmen für die fantastische Show, die sich im Nordhäuser Theater entfaltet. Was Limbarth da zusammen mit ihrer choreografischen Mitarbeiterin Beth Keasey auf die nicht eben große Bühne zaubert, ist geprägt von Vielfalt, von Farben und schier grenzenlos sprudelnden Ideen: Da sind die vielen Step-Nummern, ob Solo, im Duett oder als Ensemble, die in ihrem Variationsreichtum nie langweilig werden. Da sind die tollen Prügeleien im Saloon und natürlich die großen Szenen wie der Evergreen „I got rhythm“. Hier gelingt es Limbarth aller räumlichen Enge zum Trotz, das ganze Ensemble zu verzahnen und einen bunten, temporeichen Cocktail virtuos auf die Bühne zu zaubern.
Und das Ensemble geht mit: Das Loh-Orchester Sondershausen unter Alexander Stessin schwelgt geradezu im amerikanischen George Gershwin-Sound. Die Damen des Balletts stürzen sich lustvoll auf ihre Rollen als Follie-Girls, während die Herren in den wunderbaren Wild-West-Parodien brillieren. Diesen Parodien setzen Marvin Scott (Moose). Anton Leiß-Huber (Mingo) und Joshua Farrier (Sam) als völlig vertrottelte Cowboys mit dem Herz auf dem rechten Fleck die Krone auf.
Es ist schon ein schräges Völkchen, das sich da in Deadrock herumtreibt. Ein typisch amerikanischer Mix: Thomas Kohl ist ein etwas windiger ungarischer Filmproduzent, Sandra Schütt spielt die ein klein wenig ordinäre New Yorkerin Irene Roth mit dem Hang zur besseren Gesellschaft, Matthias Mitteldorf einen Saloonbesitzer mit Expansionsdrang. Jens Bauer und Brigitte Roth als exzentrische englische Touristen sind ebenso komisch wie Uta Haase als Bobby Childs sehr Besitz ergreifende Mutter und Michael Schober als verträumter Ex-Theaterchef von Deadrock.
Und dann ist da das Liebespaar: Gaines Hall (Billy Child) und Femke Soetenga (Polly Baker) entfalten hier alle Tugenden ausgereifter Musical-Darsteller: Hall steppt, als ob es um sein Leben ginge. Das sieht bei ihm alles so unendlich leicht aus, er gleitet förmlich über die Bühne. Soetenga steht ihm da nicht viel nach. Sie glänzt mit ihrer schönen Stimme - und hier wiederum steht ihr Hall nicht viel nach. Die Beiden sind eben echte Allrounder und so finden der Möchtegern-Star und das resolute Girl hier ganz ausgezeichnete Darsteller. Und wenn das Traumpaar im großen Show–Finale in Elisabeth Stolze-Bleys prächtigen weiß-violetten Kostümen auf einem Lohengrin-Schwan in eine gemeinsame Zukunft dahingleitet, ist der Broadway endgültig in Nordhausen angekommen.
Bei der Premiere ist das Theater rappelvoll – sogar Stehplätze sind verkauft worden. Erwartungsvoll verfolgt das Publikum den Abend. Die riesige Begeisterung entlädt sich daraufhin in zwölfminütigen Standing Ovations. Mit dieser Produktion ist dem so engagierten Nordhäuser Theater wieder einmal ein Volltreffer gelungen!
Christoph Schulte im Walde
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