Wer kennt sie nicht, die
ewige Diskussion, den ewigen Streit um so genannte "moderne Inszenierungen"?
Mit leidenschaftlicher Aggressivit�t wird dabei von einigen Seiten
eine R�ckkehr zu, freilich schwer definierbaren, klassischen Darstellungsformen
in Musik- und Sprechtheater gefordert. Verst�ndlicherweise versuchen
Intendanten und Regisseure h�nderingend "ihrem" Publikum aktuelles
Theater zu vermitteln, k�nnen sie doch auf die Forderungen nicht
eingehen ohne auf Teilhabe im Theaterleben der BRD zu verzichten
und ihre k�nstlerische Freiheit g�nzlich aufzugeben. Gro�e Teile
des - erhofften - Publikums indes stellen sich stur. Aber wo kann
ein Weg aus dieser uns�glichen, seit Jahren festgefahrenen Diskussion
liegen? Zu beachten ist, dass sich die Position der Theatermacher
aufgrund der �ffentlichen Kassenlage tendenziell stetig verschlechtert.
Um einen Ausweg zu finden, sollte man sich zuerst vergegenw�rtigen,
was - f�r den Zuschauer - das Moderne an einer Inszenierung ausmacht.
Wir alle wissen um die Entwicklungsgeschichte des Theaters. F�r
den Zuschauer indes ist zumeist ein Element entscheidend eine Inszenierung
abzulehnen und als "zu modern" einzuordnen: B�hnenbild und Kost�me.
Dass ein Dialog heute anders gesprochen wird, als im Theater der
Nachkriegszeit, dass in der Oper mehr interagiert wird als im 19
Jahrhundert - all dem kann der Zuschauer zumeist folgen (auch wenn
er es nicht immer zugeben mag). Vieles von dem nimmt er sogar als
selbstverst�ndlich hin und w�rde es auf Anhieb vermissen. Lediglich
B�hnenbild und Kost�me stellen f�r den Zuschauer eine deutlich sichtbare
Manifestation scheinbar radikalster Modernit�t dar, �ber welche
er meint, nicht hinwegsehen zu k�nnen.
Ein Ausweg nun k�nnte in folgendem einfachen Experiment liegen,
welches freilich einige Konsequenz und sicher auch Sinn f�r Ironie
erfordert. Um dem Kind einen Namen zu geben nennen wir es "Duplex-Inszenierung"
oder "Duplex-Verfahren". Es funktioniert, einfach gesagt , indem
man Inszenierungen mit doppelter Ausstattung auf die B�hne bringt.
Ein und dieselbe Inszenierung wird ein Mal mit modernen Kost�men
und in aktuellem B�hnenbild gespielt und ein Mal in Kost�men und
B�hnenbild aus der Entstehungszeit oder Spielzeit des St�ckes. Die
Inszenierung bleibt ansonsten unver�ndert, insbesondere werden die
B�hnenbilder dergestalt aufeinander abgestimmt, dass sie f�r die
Schauspieler identisch bespielbar sind. Die jeweiligen Inszenierungen
werden dann im Spielplan mit "k" f�r klassisch und "a" f�r aktuell
gekennzeichnet. Sicherlich m�ssen diese �berlegungen so relativiert
werden, dass sie f�r Musiktheaterauff�hrungen leichter zu verwirklichen
sind als f�r das Sprechtheater.
Unabh�ngig von der Universalisierbarkeit dieses Modells gilt aber:
Es w�rde mit minimalem Aufwand vielen unqualifizierten Angriffen
auf die gegenw�rtige Inszenierungspraxis der Wind aus den Segeln
genommen. Und man k�nnte nun beobachten, wie sich das Publikum -
fern von "Stammtischgespr�chen" - wirklich entscheidet. Im Ergebnis
- und da wagt der Autor gerne die Prognose - wird das Duplex-Verfahren
nach einigen Jahren �berfl�ssig werden. Die Zuschauer werden sich
- nach dem ersten Aufhorchen - f�r die zeitgen�ssische Inszenierungsvariante
entscheiden. Es ist eben etwas anderes, einem theoretischen Modell,
der viel beobachteten Idealisierung so genannter klassischer Auff�hrungen,
nachzuh�ngen als sie dann auch tats�chlich zu sehen. Und auch, ob
etwas dran ist an der M�r, dass die heutige Auff�hrungspraxis den
Zuschauerschwund verursacht hat, lie�e sich so �berpr�fen. Es w�rde
sich schlicht zeigen, ob so wirklich mehr Menschen in die Theater
str�men w�rden.
Dies alles aber l�sst sich praktisch viel anschaulicher verdeutlichen
als in endlosen Publikumsgespr�chen oder Programmheftbeitr�gen.
Viele m��ige Diskussionen w�rden sich auf einfache Weise erledigen.
Und dies alles w�rde, als positiver Nebeneffekt, sicherlich auch
ein beispielloses Presse-Echo f�r die deutschen B�hnen bringen.
Insbesondere bei einer breit angelegten Kampagne mit vielen teilnehmenden
Theatern. Der Mehraufwand f�r eine solche Duplex-Inszenierung h�lt
sich dabei in Grenzen, betrifft er doch in der Hauptsache das B�hnenbild
(denn die Kost�me d�rften noch in den Fundi vorhanden sein). Gleichzeitig
w�rde eine derartige Inszenierungspraxis aber eine Chance sondergleichen
bedeuten.
*Der Autor, Andreas Pagiela, Jurist und Mitglied
im Bundesverband junger Autoren, besch�ftigt sich als Mitglied in
kulturpolitischen Gremien seit Jahren mit dem Zusammenspiel von
Politik Kunst und Gesellschaft.
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