DER DOPPELTE WEG ALS AUSWEG
Duplex-Inszenierungen als dritter Weg in der Aufführungspraxis.
Ein Vorschlag von Andreas Pagiela*.
Wer kennt sie nicht, die ewige Diskussion,
den ewigen Streit um so genannte "moderne Inszenierungen"? Mit leidenschaftlicher
Aggressivit�t wird dabei von einigen Seiten eine R�ckkehr zu, freilich schwer
definierbaren, klassischen Darstellungsformen in Musik- und Sprechtheater
gefordert. Verst�ndlicherweise versuchen Intendanten und Regisseure h�nderingend
"ihrem" Publikum aktuelles Theater zu vermitteln, k�nnen sie doch auf die
Forderungen nicht eingehen ohne auf Teilhabe im Theaterleben der BRD zu
verzichten und ihre k�nstlerische Freiheit g�nzlich aufzugeben. Gro�e Teile
des - erhofften - Publikums indes stellen sich stur. Aber wo kann ein Weg
aus dieser uns�glichen, seit Jahren festgefahrenen Diskussion liegen? Zu
beachten ist, dass sich die Position der Theatermacher aufgrund der �ffentlichen
Kassenlage tendenziell stetig verschlechtert.
Um einen Ausweg zu finden, sollte man sich zuerst vergegenw�rtigen, was
- f�r den Zuschauer - das Moderne an einer Inszenierung ausmacht. Wir alle
wissen um die Entwicklungsgeschichte des Theaters. F�r den Zuschauer indes
ist zumeist ein Element entscheidend eine Inszenierung abzulehnen und als
"zu modern" einzuordnen: B�hnenbild und Kost�me. Dass ein Dialog heute anders
gesprochen wird, als im Theater der Nachkriegszeit, dass in der Oper mehr
interagiert wird als im 19 Jahrhundert - all dem kann der Zuschauer zumeist
folgen (auch wenn er es nicht immer zugeben mag). Vieles von dem nimmt er
sogar als selbstverst�ndlich hin und w�rde es auf Anhieb vermissen. Lediglich
B�hnenbild und Kost�me stellen f�r den Zuschauer eine deutlich sichtbare
Manifestation scheinbar radikalster Modernit�t dar, �ber welche er meint,
nicht hinwegsehen zu k�nnen.
Ein Ausweg nun k�nnte in folgendem einfachen Experiment liegen, welches
freilich einige Konsequenz und sicher auch Sinn f�r Ironie erfordert. Um
dem Kind einen Namen zu geben nennen wir es "Duplex-Inszenierung" oder "Duplex-Verfahren".
Es funktioniert, einfach gesagt , indem man Inszenierungen mit doppelter
Ausstattung auf die B�hne bringt. Ein und dieselbe Inszenierung wird ein
Mal mit modernen Kost�men und in aktuellem B�hnenbild gespielt und ein Mal
in Kost�men und B�hnenbild aus der Entstehungszeit oder Spielzeit des St�ckes.
Die Inszenierung bleibt ansonsten unver�ndert, insbesondere werden die B�hnenbilder
dergestalt aufeinander abgestimmt, dass sie f�r die Schauspieler identisch
bespielbar sind. Die jeweiligen Inszenierungen werden dann im Spielplan
mit "k" f�r klassisch und "a" f�r aktuell gekennzeichnet. Sicherlich m�ssen
diese �berlegungen so relativiert werden, dass sie f�r Musiktheaterauff�hrungen
leichter zu verwirklichen sind als f�r das Sprechtheater.
Unabh�ngig von der Universalisierbarkeit dieses Modells gilt aber: Es w�rde
mit minimalem Aufwand vielen unqualifizierten Angriffen auf die gegenw�rtige
Inszenierungspraxis der Wind aus den Segeln genommen. Und man k�nnte nun
beobachten, wie sich das Publikum - fern von "Stammtischgespr�chen" - wirklich
entscheidet. Im Ergebnis - und da wagt der Autor gerne die Prognose - wird
das Duplex-Verfahren nach einigen Jahren �berfl�ssig werden. Die Zuschauer
werden sich - nach dem ersten Aufhorchen - f�r die zeitgen�ssische Inszenierungsvariante
entscheiden. Es ist eben etwas anderes, einem theoretischen Modell, der
viel beobachteten Idealisierung so genannter klassischer Auff�hrungen, nachzuh�ngen
als sie dann auch tats�chlich zu sehen. Und auch, ob etwas dran ist an der
M�r, dass die heutige Auff�hrungspraxis den Zuschauerschwund verursacht
hat, lie�e sich so �berpr�fen. Es w�rde sich schlicht zeigen, ob so wirklich
mehr Menschen in die Theater str�men w�rden.
Dies alles aber l�sst sich praktisch viel anschaulicher verdeutlichen als
in endlosen Publikumsgespr�chen oder Programmheftbeitr�gen. Viele m��ige
Diskussionen w�rden sich auf einfache Weise erledigen. Und dies alles w�rde,
als positiver Nebeneffekt, sicherlich auch ein beispielloses Presse-Echo
f�r die deutschen B�hnen bringen. Insbesondere bei einer breit angelegten
Kampagne mit vielen teilnehmenden Theatern. Der Mehraufwand f�r eine solche
Duplex-Inszenierung h�lt sich dabei in Grenzen, betrifft er doch in der
Hauptsache das B�hnenbild (denn die Kost�me d�rften noch in den Fundi vorhanden
sein). Gleichzeitig w�rde eine derartige Inszenierungspraxis aber eine Chance
sondergleichen bedeuten.
*Der Autor, Andreas Pagiela, Jurist und Mitglied im Bundesverband
junger Autoren, besch�ftigt sich als Mitglied in kulturpolitischen Gremien
seit Jahren mit dem Zusammenspiel von Politik Kunst und Gesellschaft.
www.opernnetz.de - berichtet,
kommentiert und bietet Gelegenheit zum Feedback. Das Internet-Kommunikationsangebot
wendet sich an Opern-Fans und Opern-Profis. Im Mittelpunkt: Kontinuierliche
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