Opernnetz

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Aktuelle Aufführungen

Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)

Besuch am
6. Dezember 2015
(Premiere am 13. April 1968)

 

 

Wiener Staatsoper

Es gehört nun mal zur guten, alten Tradition der Wiener Staatsoper, Inszenierungen, die das Publikum liebt und schätzt und die immer ausverkauft sind, bewusst nicht zu verändern und über Jahrzehnte aufzuführen. Das geschieht unter anderem mit Richard Strauss‘ Der Rosenkavalier, dessen 365. Aufführung man jetzt im renommierten Haus am Ring verfolgen konnte.

Für die Inszenierung zeichnet laut Programmheft immer noch Otto Schenk verantwortlich, obwohl die eigentliche Premiere bereits 1968 stattgefunden hat. Aber das Regie-Urgestein durfte diese mittlerweile schon einige Male frisch aufpolieren. Repertoiretauglichkeit, Werktreue, Tradition und ein klarer Erzählduktus ohne neuartige Deutungsversuche sind ihre Maximen. Deshalb sind auch alle Protagonisten in traditionelle, ästhetische Kostüme gesteckt, die seinerzeit Erni Kniepert erdacht hat, und die ebenso wie die Rokoko-artigen und imperial anmutenden, wirkungsvollen Kulissen, die von Rudolf Heinrich stammen, wohl schon etliche Male erneuert werden mussten. Und so läuft die wienerischeGeschichte genau und verständlich nach dem genialen Libretto von Hugo von Hofmannsthal ab.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding: So besingt die Feldmarschallin in ihrer wunderbaren Arie einfühlsam und rührend die Vergänglichkeit und den unabänderlichen Ablauf der Zeit. Anja Harteros singt aber nicht nur diese traumhaft schön, sondern weiß auch sonst und ganz besonders im Schlussterzett innig zu berühren, wenn sie ihren jungen Geliebten Octavian aus ihrer Liebesbeziehung entlässt. Durch ihren Verzicht beweist sie unglaubliche, menschliche Größe und ermöglicht die Liebe zweier junger Menschen. All das und das Bewusstsein dieser irdischen Vergänglichkeit vermag  sie in ihrem Gesang auszudrücken. Sie weiß mit vielen emotionalen Fassetten, herrlichen Phrasierungen und edelsten Spitzentönen ihres blühenden Soprans zu faszinieren. Auch ihr Spiel ist wunderbar. Schade, dass man sie in Wien so selten hört.

Foto © Michael Pöhn

Damit dieser Schluss so wirklich silbern funkeln kann, bedarf es aber noch zweier weiterer exzellenter Sängerinnen: Chen Reiss singt die Sophie empfindsam mit reinstem Sopran.Auch Stephanie Houtzeel als Octavian mit etwas Abstand zu den beiden anderen kann mit ihrem Mezzosopran punkten und vermag tiefe und innige Gefühle zu erzeugen. Nur im Spiel neigt sie in Mimik und Gestik etwas zum Outrieren. Wolfgang Bankl ist ein ganz exzellenter, ungemein präsenter, spielfreudiger und sehr wienerischer Baron Ochs von Lerchenau, der nur kleinere Defizite in der Tiefe aufzuweisen hat. Jochen Schmeckenbecher singt den Faninal mit schönem Organ, neigt jedoch zum Forcieren. Caroline Wenborne ist eine solide Marianne Leitmetzerin.  Jinxu Xiahou gibt einen idealen Sänger voll Italianità. Alexandru Moisiuc ist ein stimmkräftiger Polizeikommissar. Weiters noch herzuheben sind das gewitzte Intrigantenpaar Benedikt Kobel als Valzacchi, Zoryana Kushpler als Annina wie auch Peter Jelosits als Wirt und Marcus Pelz als komischer Notar.

Die Lesart der Partitur von Ádam Fischer am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper nimmt immer Rücksicht auf die Sänger. Feinheiten und Valeurs werden ausgiebig herausgearbeitet, Transparenz ist angesagt. Wunderbar austariert und warm klingen die kammermusikalischen Stellen. Mit Energie aber auch großer Detailverliebtheit und Sensibilität lässt er eine ungemein reichhaltige Palette an Schattierungen bei Dynamik und Tempi erklingen.

Das Publikum klatscht begeistert: Großer Jubel für alle Protagonisten, der bei Harteros die höchste Lautstärke erzielt.

Helmut Christian Mayer