Besprechung
Die Leidensgeschichte Jesu als Ballett
Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion ist ein monumentales Werk für Solisten, Chor und Orchester. Die Vertonung des Matthäus-Evangeliums zählt zu Bachs umfangreichsten Werken und bildet einen festlichen Höhepunkt der protestantischen Kirchenmusik. Geschildert wird die Passion, die Kreuzigung sowie die Auferstehung Jesu. Mit seiner Gesamtspieldauer von über drei Stunden verlangt es dem nervösen, chronisch unter Zeitmangel leidenden Großstadtbürger einiges ab, will dieser in den Genuss des Werkes gelangen. Da könnte es eine verlockende Aussicht sein, wenn sich zur Musik der Tanz gesellte.
Der renommierte Choreograph und Direktor des Hamburg Ballett, John Neumeier, vertanzte das Werk bereits 1981 mit großem Erfolg. Neumeier selbst beschreibt die Arbeit an diesem Stück als die tiefste Erfahrung seines Arbeitslebens: 41 Tänzerinnen und Tänzer bevölkern Bühne und Zuschauerraum, um religiösen Glaubensinhalten Ausdruck zu geben. Dabei ging es Neumeier jedoch nicht vornehmlich darum, die einzelnen biblischen Protagonisten darzustellen, noch die gesungene Geschichte tänzerisch zu replizieren. Vielmehr habe ihn die dramatische Spannung interessiert, die zwischen seinem Ensemble und ihm als mittanzendem Direktor auf der Bühne entstanden sei. Diese weise Parallelen zwischen Jesu und seinen Jüngern auf.
Im Jahr 2005 entstand ein Mitschnitt aus dem Festspielhaus Baden-Baden, der letzten Aufführung, in der Neumeier selbst mit auftrat. Die Aufnahmen erscheinen nun in einer Neuauflage auf drei DVDs und mit einem kleinen Booklet. Die Musik stammt von einer Tonaufnahme von 1980 aus der St.-Michaelis-Kirche: Unter der Leitung von Günther Jena spielen und singen das St.-Michaelis-Orchester, der St.-Michaelis-Chor, die Knabenchöre Hannover und St. Michael. Die Solisten sind Peter Schreier, Bernd Weikl, Mitsuko Shirai, Marga Schiml und Franz Grundheber. Die Musik kann leider wenig überzeugen, sie wirkt schwammig und man kann nur schwerlich die Worte verstehen, die gesungen werden. Verantwortlich für die Regie ist Thomas Grimm, der auch Neumeiers Kleine Meerjungfrau verfilmte. Auch bei der vorliegenden Aufnahme ist bemerkenswert, dass der Regisseur sich offensichtlich mit dem Stück intensiv auseinander gesetzt hat. Er fokussiert kleine Handlungsstränge, folgt den Blicken der Protagonisten und gibt dem Ensemble ein Gesicht: Obwohl es über 40 Beteiligte sind, werden die Mimiken und Gesten der Tanzenden herausgearbeitet.
Points of Honor
| Musik |   |
| Tanz | |
| Choreografie | |
| Bühne | |
| Publikum | |
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Ob Neumeiers Matthäus-Passion auf der Bühne ein gelungener und emotional eindringlicher Ballett-Abend ist, der den Zuschauer zutiefst bewegt, oder eine etwas zu pathetisch und steif geratene Vorstellung mit Überlängenzuschlag, das vermag auch diese DVD-Produktion nicht preiszugeben.
Jasmina Schebesta