Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

DVD

Wunderbare Töne und Einblicke

Es war sicher die beste und rundum gelungenste, szenische Opernaufführung der Salzburger Festspiele 2014 wie auch 2015, und zwar sowohl was Regie, Ausstattung, Sänger, Dirigat und Orchester betrifft: Der Rosenkavalier vom kongenialen Duo Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, der dessen Worte in noch anrührendere Töne gesetzt hat. Jedenfalls Gründe genug, diese Produktion aufzunehmen und für die Nachwelt zu erhalten. Kürzlich ist jetzt die entsprechende DVD bei C Major erschienen.

„Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding!“ Das unwiderrufliche Verrinnen und Vergehen der Zeit ist ein essentielles Thema des Librettos von Hugo von Hofmannsthal. Harry Kupfer nimmt die poesievollen Zeilen auf und zeigt die Vergänglichkeit der Zeit mit faszinierenden und sinnlich-dichten Mitteln. Die populärste aller Strauss-Opern hat nun der 79-jährige Regie-Routinier in eben diesem Haus in der unzensierten Fassung ohne jegliche Striche in Szene gesetzt: Und zwar in einem ungemein ästhetischen und luxuriösen Ambiente, zur Zeit ihrer Entstehung, vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges angesiedelt.  Hans Schavernoch hat die bestaunenswerte Bühne mit viel Glas und Marmor mit Jugendstilmöbeln und Versatzstücken aus dem Fin de siécle entworfen, Yan Tax die Kostüme. Dahinter werden Wiens imperiale Prachtbauten der Ringstraßenzeit, imposant und auch schräg projiziert, großartige Räume, die je nach Szene durch Überblendung wechseln. Man sieht aber auch das Palmenhaus, in dem die Überreichung der silbernen Rose sehr stimmungsvoll gelingt, ebenso wie das Riesenrad und das Gasthaus zum Walfisch im Prater, wo die finale Maskerade stattfindet. Die riesige Breitwandbühne füllt der Altmeister mit großer Vitalität aus. Er versteht es, die Massen zu führen und mit Leben zu erfüllen. Er versteht aber auch, die vielen intimen Szenen mit einer ungemeinen Ideen- und Detailvielfalt anzureichern. So etwa die feine Gestik und Mimik bei der Überreichung der silbernen Rose wie auch beim Abschiednehmen zum Finale. Zu diesem chauffiert übrigens der „Mohr“, der bei Kupfer schon erwachsen ist, die Marschallin mit dem offenen Rolls Royce von der Bühne.

Wunderbar ist die Sängerriege: Allen voran ist Krassimira Stoyanova eine sehr elegante Feldmarschallin. Sie singt diese Figur silbrig mit ungemein gepflegter Kultiviertheit, klarem Timbre, wunderbaren Legato-Bögen und großem, emotionalem Tiefgang. Vor allem in der Abschiedsszene weiß sie menschlich intensiv zu berühren. Günther Groissböck ist als Ochs von Lerchenau ein Glücksgriff! Der 2014 erst 37-jährige Niederösterreicher ist ein echtes Mannsbild, fesch und schlank. Er spielt den Baron nie derb, aber unsympathisch, durch die Striche noch kantiger und setzt dafür einen sehr kultiviert geführten Bass ein. Und er kann auch den Wiener Schmäh und das Idiom ideal rüber bringen. Sophie Koch ist ein frischer Oktavian mit prachtvollem Mezzosopran, blühenden Lyrismen, wunderbarer Phrasierung und herrlicher Natürlichkeit. Mit etwas kleinem, aber sicherem Sopran hörte man eine zarte, etwas blass wirkende Mojca Erdmann als Sophie. Von den vielen kleineren Rollen stechen besonders Adrian Eröd als luxuriös besetzter Faninal mit weichem Bariton und Silvana Dussmann als intensive Leitmetzerin hervor. Wiebke Lehmkuhl ist eine mit viel Spielwitz ausgestattete Intrigantin Annina. Etwas abfallend singt hingegen ihr Partner Rudolf Schasching als Valzacchi. Stefan Pop ist ein vibratoreicher Sänger mit kleinem Tenor. Zu erwähnen ist noch Tobias Kehrer als stimmkräftiger Polizeikommissar. Auch der Chor der Wiener Staatsoper, der wiederum von Ernst Raffelsberger einstudiert wurde, singt makellos.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Kamera
Ton
Chat-Faktor

Kammermusikalisch durchsichtig, sensibel, ausgefeilt bei den vielen Details und musikantisch erlebt man Franz Welser Möst am Pult der Wiener Philharmoniker. Der Maestro lässt den Musikern im Graben viel Raum, ihren weichen Wohlklang, die immer wieder gebrochene Walzerseligkeit, die hervorgekehrte Melancholie und den berührenden Charme der genialen Musik auszuleben.

Und das Publikum empfindet das auch so und jubelt uneingeschränkt.

Die Video-Regie von Brian Large bewirkt, dass die Kameras immer an den Brennpunkten fokussiert sind und viele, kleine Details zeigen. Vor allem die Mimik der Protagonisten, die vom Zuschauerraum aus meist nicht erkennbar ist, kommt so schön zur Geltung. Brillant und ideal ist auch der Ton dieser DVD. Das Booklet ist nicht gerade üppig ausgestattet, gibt aber doch einiges an Informationen preis.

Eigentlich ein Muss für jeden Fan dieser Oper oder von Richard Strauss.

Helmut Christian Mayer